Tagebuch

Mai 2005:

Schmerzen im rechten Arm, haben uns keine Gedanken gemacht da wir gerade Vorgerichtet haben und er sich vielleicht verhoben hatte

Juni 2005:

Immer noch Schmerzen im rechten Arm.

Juli 2005:

Er kann seine rechte Hand nicht mehr so richtig bewegen, Dinge fallen Ihm aus der Hand.

August 2005:

Mein Vater lässt sich nichts anmerken aber er hat immer mehr Probleme mit seiner rechten Hand zuzufassen.

September 2005:

Die Schmerzen nehmen kein Ende und er bekommt ungewöhnlich große Schweißausbrüche. Wir entschließen uns zum Arzt zu gehen.

Oktober 2005:

Der Arzt Überweißt meinen Vater in Krankenhaus auf die Neurologische Station. Dort wurden über mehrere Tage einige Tests an ihm durchgeführt.

13.10.2005 -ein Datum was ich wohl nie vergessen werde- die Diagnose lautet ALS!

Jetzt begannen die Recherchen, was ist ALS und wie kann man es behandeln???

Das Ergebnis war erschreckend kein Mittel welches die Krankheit besiegen kann es gibt nur Rilutek® welches den Krankheitsverlauf verzögern soll.

November 2005:

Kein Monat wie jeder andere, man denkt viel nach und versucht mit dieser Diagnose klar zu kommen – bleibt ja nichts anderes übrig.

Aber mein Vater lässt sich nach außen nichts anmerken, er fährt weiterhin Auto, arbeitet im Garten und im Haus wie früher – nur mit dem Druck alles schneller erledigen zu müssen.

Haben einen Termin in der Charité Berlin bekommen, leider haben sie die Diagnose bestätigt.

Dezember 2005:

Der Garten ist Winterfest, ich wollte Ihm helfen aber er sagte:

„Dieses Jahr mach ich es noch mal allein, nächstes Jahr kann ich es vielleicht nicht mehr“.

Weihnachten steht vor der Tür, er will den Baum schmücken. Mit großer Anstrengung schafft er es da sich seine Motorik weiterhin verschlechtert hat.

Januar 2006:

Nun wollen die Hände gar nicht mehr so wie sie wollen, meine Eltern entschließen sich noch einmal in den Urlaub zu fliegen - der letzte dieser Art. Ägypten ist das Traumland meines Vaters.

Februar 2006:

Der Urlaub war eine schöne Abwechslung vom Alltag, doch kaum wieder in Deutschland wird man wieder davon eingeholt und es beginnen die ersten Sprachstörungen.

März 2006:

Wir vereinbaren einen Termin mit Herrn Mendel von www.Meine-eigene-Stimme.de zur Aufzeichnung der Stimme meines Vaters, bevor er gar nicht mehr sprechen kann.

April 2006:

Die Stimme wird immer abgehackter, er bekommt Schluckprobleme und das Laufen geht nur noch mit Hilfe und nur noch ein paar Meter am Stück.

Mai 2006:

Wir feiern seinen 57. Geburtstag als wenn es ein runder wäre und jeder weiß das es vielleicht sein letzter ist. Wir feiern ihn lang und ausgiebig jeder will mit ihm feiern - ein schöner Monat.

Wir besuchen Berlin und der Rollstuhl kommt zum ersten mal zum Einsatz.

Juni 2006:

Gleich am ersten des Monats -ich werd das wohl nie mehr vergessen- wollte er allein aufstehen und ist einfach so nach vorne über gekippt ich musste mit zusehen da ich gerade den Raum betreten habe. Es gab einen lauten dumpfen Klang als sein Kopf an die Wand schlug. Er blutete im Gesicht und ich versuchte die Blutung zu stoppen. Nach ein bis zwei Minuten merkte ich erst das seine Stimme sehr hoch klang und ich sah wie sein Hals an zu schwellen begann. Also rief ich den Notarzt und er wurde mit dem Rettungswagen in das nächste Krankenhaus gebracht - Verdacht auf Kehlkopfprellung.

Zum Glück ging das ganze noch einmal gut aus und er war nach einer Nacht im Krankenhaus wieder daheim.

Juli 2006:

Der heiße Sommer scheint den Verlauf der Krankheit weiter zu beschleunigen, er wird immer schwächer und kann kaum noch laufen, der Rollstuhl wird immer mehr eingesetzt. Und wir Versuchen mit Trinkflaschen wie es die Radsportler haben ihm die nötige Flüssigkeit zu verabreichen.

August 2006:

Er wird immer schwächer und wir entschließen uns für eine Magensonde, der Eingriff gig sehr schnell und wir konnten schon nach ein paar Tagen wieder nach Hause, endlich konnte er genügend Flüssigkeit zu sich nehmen.

Im selben Monat entschied er sich auch dafür sich ein Maskenbeatmungsgerät anzuschaffen.

September 2006:

Die Magensonde erfüllt ihren Zweck, er bekommt wieder genügend Flüssigkeit, die Nahrung versuchen wir noch so lang wie möglich Oral zu geben.

Oktober 2006:

Ein Jahr ist rum seit der Diagnose ALS!

Was soll ich sagen ich hatte nicht gedacht das es so schnell geht aber man hofft es für ihn so erträglich wie möglich zu gestalten und ihm die Kraft und die Liebe zu schenken die er so dringend braucht.

November 2006:

Er sitzt nur noch im Rollstuhl, der Speichel läuft ihm aus dem Mund und er kann sich kaum noch artikulieren. Wenigstens bekommen wir den Sprachcomputer mit Augensteuerung. Damit kann er mit uns Kommunizieren und auch ein wenig im Internet surfen. Ich denke genau richtig für diese traurige Jahreszeit.

Dezember 2006:

Nun kommt wieder Weihnachten, er sitzt da und beobachtet mich wie ich den Baum schmücke, wie alles schön dekoriert wird und schaut ein wenig traurig-weil er es sonst immer gemacht hat.

Dafür ist er aber froh, dass über Weihnachten die ganze Familie zusammen feiert, das gibt ihm wieder ein Stück weit Kraft.

Januar 2007:

Die Feiertage sind rum, und seine Schmerzen werden immer schlimmer, er liegt ja auch nur noch auf "Haut und Knochen" deshalb geben wir ihm nun zum ersten mal Morphium als Pflaster und es scheint zu wirken...

Er kann nun gar kein Wort mehr sagen, da er zu Schwach ist - seine letzten Worte zu mir waren "Haare kämmen" - wie wir es immer getan haben.

Februar 2007:

Die Wirkung des Morphiums entfaltet sich immer stärker und man merkt nun täglich das es bald soweit sein wird und er endlich sein Leiden beenden kann.

Am 23.02.2007 um 7 Uhr am Morgen schläft mein Vater nach langen Qualen nun endlich und ohne Angst im Beisein meiner Mutter und mir ein. Es war ein schöner sonniger Morgen an dem er uns verlassen hat.

>>Ich möchte meinem Vater dafür danken, dass er mir so viel gegeben und gelernt hat, er war einer der besten, klügsten, nettesten Menschen die ich je gekannt habe.<<

Der Tod ist nichts...

Der Tod ist nichts,
ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen.
Ich bin ich, ihr seid ihr.
Das, was ich für euch war, bin ich immer noch.
Gebt mir den Namen, den ihr mir immer gegeben habt.
Sprecht mit mir, wie ihr es immer getan habt.
Gebraucht keine andere Redeweise,
seid nicht feierlich oder traurig.
Lacht weiterhin über das,
worüber wir gemeinsam gelacht haben.
Betet, lacht, denkt an mich,
betet für mich,
damit mein Name ausgesprochen wird,
so wie es immer war,
ohne irgendeine besondere Betonung,
ohne die Spur eines Schattens.
Das Leben bedeutet das, was es immer war.
Der Faden ist nicht durchschnitten.
Weshalb soll ich nicht mehr in euren Gedanken sein,
nur weil ich nicht mehr in eurem Blickfeld bin?
Ich bin nicht weit weg,
nur auf der anderen Seite des Weges.

Henry Scott